Aufgespießt
Alter Mief statt frischer Wind
25.05.2014 20:02
Wie die HÖR ZU durch Agitation ihr Niveau senkt
Nachdem
die öffentlich-rechtlichen Medien vielfach von der reinen
Nachrichtenvermittlung zur vorverdauten Meinungspräsentation übergegangen sind,
kann es eigentlich nicht wundern, dass Printmedien nachziehen. Mit dem
Erscheinen der HÖR ZU vom 23.05.2014 fühlt
man sich zurückversetzt in die Zeit, als sich „Spiegel“ und „Stern“ im
Zahnarzt-Bashing überboten. Jahre später hat nun die HÖR ZU den Ladenhüter
entdeckt und versucht, die Auflage durch das Wecken von vermuteten Neidgefühlen
und Missgunst bei ihren Lesern zu verbessern. Ob das angesichts einer ziemlich
aufgeklärten Leserschaft gelingt, bleibt glücklicherweise fraglich. Was in der
HÖZ ZU als Aufmacher und getarnt als Ratgeber für Patienten daherkommt, entpuppt
sich beim Lesen als eine Ansammlung abenteuerlicher Realitätsferne, als Folge
von Unwissen und vor allem von Voreingenommenheit, die jede journalistische Zurückhaltung und Ausgewogenheit
vermissen lässt. Einzelfälle, die es durchaus gibt und die - ein jeder für sich - Patienten und dem Berufsstand
gleichermaßen Schaden zufügen, werden blumig beschrieben. Und, was noch
schlimmer ist, so aufbereitet, dass sie als allgemein gültig vom Leser
aufgenommen werden. Da hilft es auch wenig, wenn der Autor Stefan Vogt das Ende
seines Elaborates mit der versöhnlich anmutenden Zeile schmückt: „Es gibt viele
seriöse Zahnärzte, denen man vertrauen kann“. Für die große Zufriedenheit der Patienten mit der Versorgungsqualität in Deutschland spricht beispielsweise eine Umfrage im Jahr 2011, bei der 83 % der Befragten ihre Zufriedenheit mit gut bis sehr gut bezeichnet haben. In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach zur Zufriedenheit mit eingegliedertem Zahnersatz zeigten sich weniger als 2 % der Versicherten mit ihrer Kronen- oder Brückenversorgung „eher unzufrieden" oder „sehr unzufrieden". Sind all diese Menschen ihren Zahnärzten auf
den ausgestrichenen Leim gegangen?
Um nicht missverstanden zu werden. Natürlich müssen Unrecht und Unkorrektheit benannt werden, und auch der Berufsstand darf sich nicht scheuen, die berühmten „schwarzen Schafe“ weiterhin zu sanktionieren. Aber von einer Veröffentlichung mit journalistischem Anspruch verlange ich Ausgewogenheit und nicht den Gesamteindruck eines Hetzartikels. Ich verlange Verantwortung statt einen verengten Blickwinkel, hinter dem sich vermutlich in Wahrheit der Wunsch nach Steigerung der Auflage verbirgt.
Unter dem Titel „Skandal-Akte Zahnarzt- wie Sie sich vor Abzocke schützen“, legt die HÖR ZU ein Titelblatt vor, dass, ganz abgesehen von der reißerischen Darstellung eines goldzahnhaltenden Zahnarztes, dem die Fünfhunderter bereits aus der Kitteltasche wachsen, mit zeitgemäßer grafischer Gestaltung so viel gemein hat wie Fußpilz mit Wellness. Das ist aber das Problem der Macher dieses Blattes, nachdem es von Springer an die Mediengruppe Funke veräußert worden ist.
Was fast noch schlimmer ist als das Zerrbild,
das der Autor in seiner Minderleistung hinlegt, sind die hilfswilligen Zitate
einer Zahnärztin aus München, einer „Expertin“ der sogenannten Unabhängigen
Patientenberatung (UPD) aus Potsdam und, man lese und staune, der
DAZ-Vorsitzenden. Gerade in einer Zeit, wo man seitens des Berufsstandes auf
oberer Ebene im Begriff ist, eine gemeinsame und am Patientennutzen
ausgerichtete Gesprächsbasis mit der UPD zu finden, erscheinen unausgewogenen
Verlautbarungen als Rückschlag in der Sache. Bei der
Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) existiert eine
„Arbeitsgemeinschaft Patientenberatung“. Sie begleitet aktiv die Zusammenarbeit
mit der „Unabhängigen Patientenberatung Deutschland“ (UPD) im Rahmen eines
Koordinierungsabkommens zwischen ihr, der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der
UPD. Das Ziel der Vereinbarung ist der gegenseitige Informationsaustausch und
die Verbesserung der jeweiligen Angebote zum Nutzen der Ratsuchenden in der
Patientenberatung. Gab es nicht genügend Zeit für eine ausgewogene Recherche?
Im gesamten Artikel findet sich kein einziger
Hinweis auf die auch aus Patientensicht erfolgreich arbeitenden Beratungseinrichtungen
und Hilfestellungen in Streitfällen durch die zahnärztlichen Körperschaften.
Neben der Stimmungsmache gibt es natürlich auch wertvolle Ratschläge. Zum Beispiel
denjenigen, dass man die Güte einer Praxis u. a. am „Staub im Wartezimmer“ erkennt; denn er „ist ein schlechtes Zeichen. Dann mangelt es oft auch in den anderen
Behandlungsräumen an Hygiene“, warnt der Ratgeber seine Leser. Angesichts
der gesetzlich geforderten und überwachten Hygiene-Hypertrophie in deutschen
Zahnarztpraxen verbietet sich jeder weitere Kommentar zu dieser Art Lebenshilfe
der HÖR ZU.
Hier einige weitere Zitat-Auszüge:
Zahnärztin
aus München:
„Bei der Generierung von Zuzahlungen sind der
Fantasie offenbar keine Grenzen gesetzt“ … „Ein anderer Zahnarzt wolle zum
Kassentarif nur einen halben Wurzelkanal behandeln“… wird ihr in den Mund
gelegt.
Unabhängige
Patientenberatung:
„Zahnärzte haben in den letzten Jahren ganze
Arbeit geleistet…viele Patienten glauben mittlerweile, dass Zahnersatz generell
sehr kostspielig ist“
„Stellen Sie ihre Ohren auf Durchzug, bis die eistudierten Sprüche abgespult
sind…“
„Meist reicht die Regelversorgung aus. Glauben Sie nicht den Angstmachern!“
DAZ-Vorsitzende:
„Teilweise wird Patienten vermittelt, es gebe
zwischen Prophylaxe und Implantat keine Zwischenlösung mehr“
„Die Rechnung später teurer zu gestalten, das kriegt man schon hin“
Und hier
noch einige Text-Auszüge, die den Tenor des Artikels zum Ausdruck bringen:
„Skandal-Akte Zahnarzt – wie Sie sich vor
Abzocke schützen“
„Meister im Tricksen und Täuschen“
„Womit Zahnärzte am meisten kassieren“
„Der Übervorteilte Patient“
„Abzocke mit Implantaten“
„Aufpolierte Preise“
„Das große Geschäft mit den Kleinen“
„Eine goldene Nase verdienen“
„Vorsicht vor teuren Therapien der Ärzte“
„…wie Sie sich am besten gegen Pfusch und Abzocke wehren“
„So gut verdienen Zahnärzte. Auf die Spitze getrieben…“
Und
…
Wer
schützt eigentlich die Patienten vor der HÖR ZU-Werbung für „Vitaminkuren“ in
direkter Nachbarschaft zu dem besagten Artikel oder Massageauflagen für
Bürostühle, die das Blatt ebenso abdruckt? Sollte der Verbraucher/Patient am
Ende mündiger sein, als es die „Journalisten“ der HÖR ZU für möglich halten?
Liebe HÖR ZU-Macher, bleiben Sie bei
Ihrem Metier - bei
Programmberichterstattung, Horoskopen und Kreuzworträtseln. Überlassen Sie
Ratschläge denen, die etwas von ausgewogenem Journalismus verstehen.
Dr. Michael Loewener, Wedemark
Zahnärzte für Niedersachsen – ZfN